Ashtanga Yoga

Der achtgliedrige Pfad nach Patanjali

In meinem letzten Artikel habe ich dir verschiedene Yoga-Arten vorgestellt und dir versprochen, dir zu verraten, welchen Yoga-Stil ich persönlich verfolge. Und genau darum geht es in diesem Artikel.

Moderne Stile

Du hast nun also bereits erfahren, dass es heutzutage unglaublich viele Yoga-Richtungen gibt. Manche von ihnen haben sich teils weltweit etabliert und werden voller Freude praktiziert. Andere hatten nur einen kurzen Auftritt auf der Bühne und sind dann in ein Schattendasein verschwunden.

Doch auch die modernen Stile sind nur ein winziger Bruchteil von dem, was Yoga ausmacht und welch Potenzial drinsteckt.

Traditionelle Yoga-Arten

Neben einigen modernen habe ich dir die vier traditionellen Yoga-Arten Raja Yoga, Bhakti Yoga, Karma Yoga und Jñana Yoga beschrieben. Zudem habe ich dich darauf hingewiesen, dass es zwei Arten des Verstehens gibt, wenn wir von Ashtanga Yoga reden. Wenn ich von Ashtanga Yoga spreche, dann immer in der Weise, wie es ursprünglich und von Patanjali beschrieben wurde. Falls du das verpasst haben solltest, dann hör doch gern noch mal in meinen letzten Artikel rein!

Vier traditionelle Yoga-Arten: Raja Yoga, Bhakti Yoga, Karma Yoga & Jñana Yoga

Wer war Patanjali?

Um Patanjali drehen sich viele Geschichten.

Es wird vermutet, dass er zwischen dem 2. Jhd. vor Christi bis 4. Jhd. nach Christi lebte – natürlich nicht durchgängig.

Patanjali war ein indischer Gelehrter. Er wird als „Vater des Yoga“ bezeichnet, da er die Yoga-Sutra geschrieben hat. Yoga-Sutra ist der zentraler Ursprungstext Yoga und Fundament des Raja Yogas, also auch der geistig-philosophische Part. Hatha Yoga kennen die meisten Menschen im Westen. Doch leider meist verdreht. Nämlich meist nur auf die Weise, dass die Körperübungen das zentrale Element von Yoga seien. Die Wahrheit ist, dass Hatha Yoga nur ein winziger Teil des Raja Yoga ist und nur praktiziert wird (traditionell), um Raja Yoga zu erreichen. „Raja Yoga“ kennen die meisten nicht mal als Begriff. Wenn ich sage, dass Hatha Yoga nur ein winziges Puzzleteil von Raja Yoga ist, ist sogar so manch Einer beleidigt. Leider wird hier wie so vieles einfach nur ein Teil aus dem Zusammenhang gerissen und der Rest wird plötzlich nicht mehr beachtet und danach eher für ungültig oder nicht-existent angesehen.

Jedoch geht es unter anderem darum, den eigenen Geist zu verstehen und ihn zu kontrollieren, um Selbstverwirklichung und das Überwinden von Leiden. Yoga bedeutet Geist im Zustand der Ruhe. Verbundenheit, Vereinigung. Den Körper maximal zu verbiegen, ein Waschbrettbauch oder ein sexy Po ist nicht das primäre Ziel.

Um dorthin zu gelangen beschrieb Patanjali einen achtgliedrigen Pfad.

Ashtanga Yoga = Der achtgliedrige Pfad nach Patanjali

Der achtgliedrige Pfad nach Patanjali

Ashtanga bedeutet acht. Daher wird der achtgliedrige Pfad nach Patanjali Ashtanga Yoga genannt.

Diese sind:

  1. Yama (Ethik, Gebote im Umgang mit anderen)
  2. Niyama (Gebote im Umgang mit sich selbst)
  3. Asana (Körperübungen)
  4. Pranayama (unter anderem Atemübungen)
  5. Prathyahara (Rückzug der Sinne)
  6. Dharana (Konzentration)
  7. Dhyana (Meditation)
  8. Samadhi (überbewusster Zustand)

Um dir diese näher zu bringen, tauche ich etwas tiefer in die Materie ein.

Yama

Yama sind die Gebote im Umgang mit anderen. Sie verhilft zu Klarheit im Geist und zur Selbstkontrolle. Yama werden in fünf Unterpunkte unterteilt:

  1. Ahimsa
  2. Satya
  3. Asteya
  4. Brahmacharya
  5. Aparigraha

Yama – Ethik, die Gebote im Umgang mit Anderen

Ahimsa

Ahimsa bedeutet Gewaltlosigkeit. Diese wird sowohl körperlich, psychisch und spirituell verstanden. So kann Ahimsa bedeuten, dass man andere nicht körperlich attackieren darf oder einen Mord begeht.

Auch psychisch kann man Gewalt ausüben, in dem man einen anderen anschreit, verbal unter Druck setzt oder schlecht über andere spricht.

Manche verstehen Ahimsa als Aufruf, vegetarisch zu leben, da man eben keine Gewalt oder Mord an Tieren begehen sollte.

Das absolute Sinnbild von Ahimsa ist sicherlich Mahatma Gandhi, der durch und trotz gewaltfreien Weg Indien in die Freiheit führte.

Es beginnt damit, Ahimsa zu wollen. In der absoluten Vollständigkeit ist es vielleicht in dem modernen Alltag in einer Industrienation nicht immer erreichbar. Jedoch ist jedes noch so kleine und große Stück so wichtig.

Es geht nicht um Egoismus oder Rache, sondern um Liebe und Vergebung.

Damit ist es ein Weg der Mutigen, nicht der Feigen.

Satya

Satya bedeutet Wahrheit oder auch Wahrhaftigkeit. So sprich immer die Wahrheit! Die Wahrheit beginnt in Gedanken und führt zu Handlungen und Taten. Die Wahrheit findet nicht nur im Außen statt, also zu anderen die Wahrheit zu sprechen, sondern bedeutet zudem, ehrlich zu sich selbst zu sein.

Manchmal steht dies zum Widerspruch zu Ahimsa, zum Beispiel, wenn deine ehrliche, wahrhafte Antwort dein Gegenüber verletzen würde. Eine pauschale Handlungsanweisung ist leider nicht möglich. Jedoch macht in den meisten Fällen der Ton und die Art und Weise die Musik.

„Lügen haben kurze Beine“ sagt der Volksmund und recht hat er. Am Ende kommt die Wahrheit immer raus, hat die Lüge keinen Bestand. Warum also sich dieses Konstrukt antun, wenn es langfristig immer schwieriger wird?

Dein Geist ist stark, wenn du wahrhaftig bist. Gibst du vor, jemand anderes zu sein, so schwächst du damit deinen Geist. Verschwendest du also deine Kraft, um anderen eine Show zu bieten, wird dein Geist (und damit du) schwach sein. Stark wirst du nur durch Satya, durch Wahrhaftigkeit!

Also – finde heraus, wer du bist und dann sei, wer du bist!

Asteya

Asteya bedeutet Nicht-Stehlen.

Zunächst ist dies gemeint, dass du keinen Diebstahl begehen sollst. Dies ist nicht nur im Kaufhaus zu sehen, sondern auch wenn du ein Handtuch im Hotel mitgehen lässt. Oder wenn du Werbegeschenke, Kugelschreiber oder Druckerpapier von deinem Arbeitsplatz mit nach Hause nimmst, in der Meinung, es fällt eh nicht auf.

Dazu gehört auch, keine Steuern zu prellen oder unnötige Kosten zu verursachen, nur weil du sie selbst nicht trägst oder Bildrechte zu übergehen.

Schmücke dich nicht mit fremden Federn, denn auch das ist eine Form von Stehlen und auch nicht wahrhaftig sein.

Du wirst feststellen, dass du nicht hinterherrennen musst. Im Gegenteil. Wenn du nicht mehr hinterherrennst, wird es dir zufliegen. Du wirst keinen Mangel spüren, denn alles was du brauchst, wird zu dir kommen.

Dazu musst du mit dir und anderen respektvoll umgehen, teile – sei großzügig und behalte nicht nur für dich selbst.

Brahmacharya

Enthaltsamkeit, gemäßigtes Leben

Bei einem Mönch kann dies sexuelle Enthaltsamkeit, also der Verzicht auf Sex bedeutet.

In einer Partnerschaft wiederum kann es bedeuten, dass man nicht jedes Angebot annimmt oder gar sucht, sondern der/ dem Partner/in treu bleibt.

Gieriger Genuss und sexuelles Fehlverhalten sollte vermieden werden und seine Leidenschaft sollte kontrolliert werden. Am deutlichsten wird dies in Beispielen von Übergriffen, Missbrauch oder Vergewaltigung. Aber auch die #metoo-Debatte hat deutlich aufgezeigt, dass es weit verbreitet ist und viele, teils subtile Gesichter haben kann.

Brahmacharya kann auch auf andere, nicht sexuelle Weise praktiziert werden. Ein gemäßigtes Leben muss nicht bedeuten, dass du einsam auf einem Baum leben musst. Aber in unserer Konsumgesellschaft kann es bedeuten, dass du einfach etwas mehr einfacher lebst, nicht jeden Trend hinterher rennst, dass du einfach bewusster konsumierst.

Aparigraha

Aparigraha bedeutet Unbestechlichkeit

Zunächst denken wir dann vielleicht an Politiker oder Manager großer Firmen. Dabei geht es darum, dass sie Geld oder Geschenke annehmen und im Gegenzug Gefälligkeiten leisten oder zulassen, Papiere unterschreiben oder Genehmigungen erteilen.

Oder wenn die Pharmaindustrie Ärzten luxuriöse „Fortbildungen“ auf wunderschönen Inseln mit viel Spaß und Alkohol bezahlen, um dann die Großbestellung neuer Medikamente entgegenzunehmen.

Jedoch kann das auch im Kleinen, bei jedem von uns stattfinden. Dem Partner sexuelle Gefälligkeiten anbieten und dafür bestimmte Gegenleistung einfordern. Oder das eigene Kind mit Schokolade bestechen, damit es ruhig ist, „lieb“ ist oder eben einfach funktioniert.

Aber auch andersherum – wenn andere versuchen, dich zu bestechen: Erkenne es und gehe nicht darauf ein. Bring dich nicht in Abhängigkeiten, die dich zwingen, gegen ethische Prinzipien zu verstoßen, die gegen Ahimsa, Satya, Asteya und/ oder Brahmacharya verstoßen.

In jedes dieser einzelnen Punkte können wir uns wochenlang vertiefen.

Yamas sind die Gebote im Umgang mit anderen. Allerdings wird dir vielleicht auffallen, dass du mit der Einhalten der fünf Punkte nicht nur in Frieden mit anderen kommst, sondern in Frieden mit dir selbst. Du wirst feststellen, dass sich dein Geist klärt und stärker wird.

Niyama – Gebote im Umgang mit sich selbst

Kommen wir nun zu den Niyamas.

Niyamas – Gebote im Umgang mit sich selbst

  1. Saucha (Reinheit)
  2. Santosha (Zufriedenheit)
  3. Tapas (Askese)
  4. Swadhyaya (Studium religiöser Schriften)
  5. Ishvarapranidhana (Verehrung Gottes)

Saucha

Gemeint ist hier sowohl die körperliche Reinheit, also Hygiene, als auch die geistig-psychische-emotionale-spirituelle Reinheit. Beides steht miteinander in Verbindung. Denn eine Verunreinigung einer Ebene kann auch zur Verunreinigung der anderen Ebene führen. Durch Asanas (Körperübungen), Pranayama (Atemübungen), Kriyas (Reinigungshandlungen) und sattvic food kann Reinheit erreicht werden, was wiederum zu einem klaren Geist, guter Konzentration und einem heiteren Gemüt führt. Umgekehrt führt Unreinheit zu Angst, Depression und Zweifel.

Santosha

Santosha ist die Zufriedenheit und Freude. Diese findet man nie im Außen, nur im Innen. Damit einher geht Bescheidenheit. Der Weg zu Santosha führt also nicht durch Konsumgeilheit, sondern um weniger Wünsche, weniger materiellen Haben-Wollen. Sondern das Glück findet man in den kleinen Dingen wie in einem Sonnenaufgang oder das Lächeln eines kleinen Kindes. In den Industrienationen wachsen wir jedoch von Klein auf damit auf, dass wir alle in erster Linie Konsumenten sind. Wir sollen viel verdienen, um sich noch mehr leisten zu können. Wir sollen uns nicht ausruhen, um noch mehr zu konsumieren. Zum Beispiel sollen wir uns bei Durchfall nicht zu Hause ausruhen, sondern lieber eine Tablette XY einnehmen, um dann abends wieder fit in der Cocktail-Bar zu stehen.

Und dann muss das Ganze ständig angekurbelt und in Schach gehalten werden. So werden die Spitzen zelebriert. Wie Black Friday und andere Shopping-Wahnsinns-Treiber. Hier beginnt die Jagd. Selbst bei der Begutachtung der Beute wird man irgendwann feststellen, dass eine echte, tiefe Zufriedenheit sich nie einstellt. Santosha ist die echte Zufriedenheit, tief in dir. Du mit dir.

Tapas

Tapas bedeutet Askese. Diese kann in der kompletten Entsagung Ausdruck finden. Oder aber in der bewussten Entsagung von dem, was krank macht oder zu stark in das System eingreift. Ganz bewusst soll man hier auch mal das tun, was man nicht möchte. Stichwort: inneren Schweinehund überwinden. Wenn dein innerer Schweinehund also laut und deutlich sagt, dass Bewegung überhaupt nicht gut ist und Chips essend auf der Couch zu liegen eine viel bessere Idee, dann kannst du Tapas praktizieren, in dem du das überwindest.

Es gehört ebenso dazu, inneren Müll zu verbrennen, Achtsamkeit zur Psyche und zur Ernährung zu bringen.

Auch in diesem Sinne kann Askese bedeuten, dass du ganz bewusst darauf achtest, was du isst und zu dir nimmst, statt alles in dich hineinzuschaufeln, was dir angeboten wird.

Swadhyaya

Dies bedeutet das Studium von religiösen Schriften oder auch philosophischen Texten. Auch hier geht es nicht um reinen Wissensaufbau, sondern um Reflexion, um Selbsterforschung.

Ishvarapranidhana

Hier geht es um die Verehrung Gottes, wobei nicht unbedingt ein bestimmter Gott gemeint ist. Durch Gebete, Meditation, Mantragesänge und Rituale findet man zu Gott. Wir werden Gott nicht in Kirchen, Tempeln oder Moscheen finden, denn Gott ist in uns. Im Vertrauen zu Gott kann man Angst, Zweifel einfach abgeben.

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Nun hast du einen Einblick in den ersten Teil. Wie du siehst, Yoga ist weit mehr als „nur“ Körperübungen. Nach und nach zeige ich dir mehr von dieser absolut faszinierenden Welt.

Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, belassen wir es mal dabei und ich werde den zweiten Teil des achtgliedrigen Pfad in einem weiteren Artikel thematisieren.

Du wirst erkennen, dass du Yoga immer und überall anwenden kannst. Unabhängig davon, wo du bist, mit wem. Du brauchst nicht viel Platz, keine sexy Buxe, keine Matte. Mitten im Menschengetümmel kannst du Yoga praktizieren.

Deinen Geist und deine ganze Gefühlswelt kannst du liebevoll und leicht führen, statt übermannt zu werden.

Du wirst dich stark, sicher, frei, leicht und glücklich fühlen.

Yoga ist eine Philosophie, ein ganzheitliches System. Kein Sportkurs.

Tauche mit mir ein, in die wundervolle Welt des Yoga!

Lachende Grüße & Keep Shyneying

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